Humanismus in der unternehmerischen Praxis

14.03.2019

Autor: G. Steffen Geschäftsführer

"Als Humanist würdevoll handeln, immer von Subjekt zu Subjekt"

Diesen Leitsatz finden Sie in unserem Bild zur "Führungsarbeit heute".

Gemeint ist mit Humanismus der Schutz und die Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte, das Verwirklichen des Gebots zur Achtung der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und eine wissenschaftliche Welterklärung, das Ablehnen jeden Dogmatismus und das Favorisieren des Dialogs auf der Grundlage rational nachvollziehbarer Begründungen.

Aber womit werden heute Unternehmer in Verbindung gebracht?

Mit überhöhten Bonizahlungen, der Betrachtung von Menschen nur noch als Kosten, mit Ausbeutertum und anderen meist negativ besetzten Begriffen......wobei das allerdings auch viel mit Unwissenheit der Publizierenden zu tun hat.

Kann man Humanismus mit Unternehmensführung vereinbaren?

Ja, man kann es. Ich wage sogar zu behaupten, dass es zukünftig zur Erreichung von langfristigem unternehmerischem Erfolg ein Muss ist.

Zweifelsohne ist jeder Geschäftsführer per Gesetz verpflichtet ein Unternehmen nach den Regeln eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen, sprich: er muss Gewinne generieren um eine Insolvenz zu vermeiden.

Jeder Gesellschafter erwartet auch, dass sein investiertes Geld Gewinne abwirft. Gewinne zu machen ist daher auch die einzige Existenzberechtigung eines Unternehmens, es ist immer das oberste Unternehmensziel ..... auch wenn dies bei den veröffentlichten Unternehmenszielen fast immer schamhaft verschwiegen wird.

Das Gewinnerzielungsziel oder genauer gesagt die Gewinnerzielungsverpflichtung wurde lange Zeit mit Ausbeutung gleichgesetzt.

Nicht ganz zu unrecht.

Wenn man sich die Wirtschaftsgeschichte anschaut war es lange Zeit so, dass die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung von der Minderheit der besitzenden Bevölkerung, aus heutiger Sichtweise würde man sagen: "ausgebeutet" wurde. Damals war das aber normal, je nach Sichtweise sogar gottgegeben. Man denke nur an die extremste Formen der Ausbeutung: die Sklaverei, die von den Anfängen der Menschheit bis ins 20.Jahrhundert hinein, ja teilweise noch heute, gang und gebe war. Aber es gab die Ausbeutung auch in Form der Arbeitsumstände der Bauern im Mittelalter bis zur hin zu den Anfängen der Industrialisierung.

In der Industrie besserte sich im Laufe der Zeit die Lage der Arbeiter, aber im Allgemeinen weniger aus der Einsicht nach der Notwendigkeit menschlicherer Arbeitsbedingungen denn aus machtpolitischen Notwendigkeiten heraus.

Erst spät im 20.Jahrhundert begann man den Arbeitnehmer nicht nur als Kostenfaktor zu verstehen, sondern als Know-How-Träger, als Ideengeber, als qualitätsbestimmendes Element in der Wertschöpfungskette.

Zweifelsohne sind auch heute noch in unserem Hochlohnland die Personalkosten ein bestimmender Faktor, und daher gibt es auch heute noch Bereiche, Unternehmen in denen Mensch nur als Kostenfaktor gesehen wird.

In einem Unternehmen muss die Gewinnerzielungsabsicht...oder besser gesagt die Gewinnerzielungspflicht, aber nicht im Gegensatz zu humaner, gleichberechtigter, toleranter, mitarbeiterorientierter Personalführung stehen, ganz im Gegenteil.

Wie komme ich zu dieser, für viele noch immer abwegigen Einschätzung?

Wir führen in regelmäßigen Abständen Mitarbeiterbefragungen durch. Teilweise in Form von Fragebögen, teilweise auch in Form von berufsbiographischen Interviews. Das die Wünsche der Arbeitnehmer nicht mehr nur in der Befriedigung der Grundbedürfnisse Nahrung, Wohnen und Kleidung liegen ist auch ohne solche Befragungen klar.

Gemäß der Maslowschen Bedürfnishierarchie (Physiologische Bedürfnisse/Sicherheitsbedürfnisse/soziale Bedürfnisse/Individualbedürfnisse/Selbstverwirklichung) sind die unteren Ebenen heute sichergestellt.

Und natürlich spielt auch kein Unternehmen nur ein Wunschkonzert in dem alle Wünsche befriedigt werden können. Und das Einhalten von gesetzlichen Vorschriften setze ich jetzt als Selbstverständlich und nicht diskutabel voraus. Aber es sind erstaunlich wenige, leicht umsetzbare Dinge die die meisten Mitarbeiter gerne und damit leistungsfähig zur Arbeit kommen lassen. Ganz oben auf der Liste steht die Behandlung als "Mensch", die würdevolle Behandlung.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Ein höflicher Umgangston der Vorgesetzen vs dem Zubrüllen von Anweisungen.

Zuhören können vs "ich habe jetzt keine Zeit für dich".

Ernst nehmen von Anregungen vs ich bin der Einzige der Ahnung hat.

..... eigentlich ganz einfache Dinge.

Weg von einer starren hierarchischen Organisation hin zu einer offen vernetzten Organisation. Warum nicht auch die Mitarbeiter mehr einbeziehen in die Planung von Abläufen, Prozessen und Organisationen? Man ist erstaunt welche produktiven Ideen kommen.

Man muss auch nicht jeden Fehler direkt sanktionieren ..... Fehler macht jeder, man muss aber daraus lernen damit er und ähnlich gelagerte Fehler nicht wieder passieren .... also Toleranz üben.

In einem Unternehmen ist man in eine Organisation eingefügt, aber trotzdem ist eine gewisse Selbstorganisation möglich.

Warum nicht Rücksicht nehmen auf persönliche Umstände wenn möglich.

Nicht alles kann immer umgesetzt werden, aber die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeiter auch mal eine unangenehmere Arbeitszeit oder ähnliches gelassener hinnehmen, sich untereinander eher absprechen und sich selbst organisieren wenn sie sehen, dass an anderer Stelle wenn möglich auf sie Rücksicht genommen wird.

Eigentlich sollten das alles eher selbstverständliche Dinge sein, leider ist es das oft nicht im betrieblichen Alltag.

Gerade im Produktionsbereich sind noch viele Führungskräfte anders gepolt da sie in der Vergangenheit entsprechend sozialisiert wurden.

Ich möchte auch nicht behaupten das die vorgenannten Wege bei allen Mitarbeitern greifen. Es gibt immer welche die nicht mitdenken wollen und sich dabei wohl fühlen. Es gibt auch Mitarbeiter die prinzipiell gegen alles sind ..... aber das ist erfahrungsgemäß eine Minderheit...

Wenn ich aber nur 90% motiviert bekomme ist das schon ein riesiger Schritt.

Und wo liegen die Vorteile für das Unternehmen?

Die "Aufsicht" und auch der Organisationsaufwand verringern sich. Ein so motivierter Mitarbeiter hat weniger Fehlzeiten und arbeitet effizienter.

Und.....in die Zukunft gesehen der Hauptvorteil: Ein solches Miteinander im Unternehmen spricht sich herum.

Wir hören viel vom Fachkräftemangel. Gewerkschaften und andere behaupten gerne man könne dies durch unternehmensinterne Ausbildung umgehen oder solle höhere Entgelte zahlen. Aber wer, vor allem in einer so dünn besiedelten Gegend wie der unsrigen, Fachkräfte oder Auszubildende sucht wird feststellen, dass dies nicht einfach ist. Und es lassen sich auch nicht alle Menschen in den benötigten Bereichen schulen.

Solche vorgenannten "Softskills" eines Unternehmens geben inzwischen oft den Ausschlag ob man Mitarbeiter gewinnt oder nicht. Und die Gewinnung gut ausgebildeter und motivierter Mitarbeiter wird bald ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn nicht sogar eine Notwendigkeit darstellen um auf dem Markt zu überleben.

Kommen wir zu der eingangs gestellten Frage:

Kann man Humanismus mit Unternehmensführung vereinbaren?

Der Mensch, der motivierte und engagierte Mitarbeiter wird ein immer wichtigerer "Produktionsfaktor" (ein technokratischer Begriff, aber per Definition sind die Produktionsfaktoren: Mensch, Maschine, Material, Methode, Millieu).

Die Umsetzung humanistischer Werte auch in der Mitarbeiterführung erleichtern das Finden und Halten und das Motivieren dieser Mitarbeiter und stärken so die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.