Kapitel 2: "Ohne lange nachzudenken" - Zaghafte Schritte in eine andere Welt.
Autor: Volker Thräne
Zaghafte Schritte in eine andere Welt
Wir schrieben mittlerweile das Jahr 1983 und so einfach, wie ich mir den weiteren Verlauf der Geschichte vorgestellt hatte, so einfach lief das Ganze nun doch nicht. Ich merkte plötzlich, dass mich die Realität schlagartig einholte und die Situation, in der ich mich mit meiner Frau und meinem Sohn befand, in einem ganz anderen Licht erschien. Von nun an war es nicht nur mal so der Wunsch oder ein Traum, nach Afrika zu fliegen, nun stand es fest. Es ging wirklich los und so ohne weiteres gab es auch kein Zurück. Dazu hatte sich für uns alles zu weit entwickelt und ehe ich mich versah, befand ich mich mitten in den Vorbereitungen meiner Ausreise.
Von der "Reisestelle" des Kombinates in Dresden erhielt ich umfangreiche Listen, in ihnen penibel aufgeführt, was unbedingt in mein Reisegepäck hineingehört. Dazu noch eine Reihe sinnvoller Empfehlungen und am Ende standen da fünf große Koffer, randvoll gefüllt mit Reiseutensilien.
Ich muss noch erwähnen, dass die Ausrüstungsgegenstände, die zur Pflichtausstattung gehörten, vom Kombinat finanziert wurden! Blieb die Herausforderung, vor allem die Kleidungsstücke in den Geschäften zu erstehen.
Unser damaliger volkseigener Handel tat sich schwer mit Leinenhemden und Leinenhosen, von den vielen Kleinigkeiten ganz zu schweigen. Irgendwann und irgendwie war es dann doch vollbracht und meine Koffer standen bereit zur Zollkontrolle.
Die Abnahme war nur eine Formsache. Der Zollbeamte interessierte sich mehr für das, was mir bevorstand und mich in Mosambik erwarten würde, als für den Inhalt meiner Koffer. Als ich von ihm die entsprechenden Unterlagen in den Händen hielt und die Koffer versiegelt waren, konnte ich sie endlich am Flughafen Schönefeld als recht umfangreiches Vorausgepäck aufgeben.
Nun wurde es von Tag zu Tag konkreter. Man teilte mir den Termin der Abreise mit und weihte mich kurz, ganz kurz, in die notwendigsten Formalitäten ein. Ich erfuhr auch, dass ich meinen Pass erst unmittelbar vor dem Abflug am Flughafen Berlin-Schönefeld ausgehändigt bekäme und das von einem Kollegen, der extra deshalb von Dresden aus anreisen würde. Mir war natürlich sofort klar, ein enormer organisatorischer und finanzieller Aufwand nur zu meiner Sicherheit, damit mir der besagte Pass bis zur Abreise nicht doch noch verloren geht! Je näher der Tag der Abreise kam, desto öfter vermieden wir es, in der Familie darüber zu reden. Es war alles gesagt und der Rest blieb spannende Ungewissheit. Hatte sich doch auch alles schon viel zu lange hingezogen. Dem Kombinat gegenüber stellten sich immer wieder eine Reihe Fragen, die mir allerdings niemand beantworten konnte, wollte oder durfte, was mich oftmals sehr unzufrieden und auch ärgerlich machte. Schließlich war es für mich keine Kaffeefahrt. Ich wusste damals nicht einmal, wie lange der Einsatz genau dauern würde. "Das erfährst du alles von dem Kollegen in Beira."Beira war mein Zielort, also nach meiner Ankunft in Mosambik, so die ständige Antwort. Irgendwann gab ich auf, wusste ich doch eines, ein DDR-Bürger geht nirgends und niemals verloren, auch nicht im letzten Winkel der Erde. Wie recht ich damit hatte, sollte ich in den folgenden Jahren noch erfahren.
Sei es, wie es sei, der Tag der Abreise stand unwiderruflich fest. Freude und Spannung über das, was mich erwarten würde, Trauer über das, was ich zurücklassen würde. Genau dazwischen bewegten sich meine emotionalen Gefühlsschwankungen.
In diesem Zustand erreichte ich zusammen mit meiner Familie den Flugplatz Berlin-Schönefeld.
Zu diesem Zeitpunkt gehörten Themen wie Flugplatz, Fliegen, Abreise, Ankunft, Abfertigung, Ausreise- und Einreiseformalitäten, Fluggesellschaften, Flugrouten und Zwischenlandungen noch nicht zu meinem Sprachgebrauch und alles, was sich dahinter verbarg, war für mich eine noch fremde Welt, was sich im Laufe der kommenden Wochen und Monate recht schnell ändern sollte.
An diesem Tag allerdings geschah nach unserem Eintreffen in Schönefeld nicht mehr sehr viel. Nach stundenlangem Warten erhielten wir plötzlich die Nachricht, dass der Abflug der DC 10, der "LAM" (Linhas Aéreas de Mosambik), aus ungeklärten Gründen auf den nächsten Tag verschoben sei. Ich verbrachte die Nacht also erneut im eigenen Bett und wir alle erschienen pünktlich am nächsten Morgen erneut auf dem Flugplatz, bereit zu einem weiteren Versuch. Auch mein Pass mit dem dazugehörigen Kollegen aus Dresden war pünktlich zur Stelle.
Erneut Wartezeit, Ungewissheit und dann überschlugen sich auf einmal die Ereignisse. Der Flug wurde aufgerufen, die Massen stürzten zum Abfertigungsschalter, Abschied von der Familie und da saß ich nun im sogenannten "Freiraum", gedanklich vollkommen unter Wasser.
Eine kurze Überprüfung meiner Situation ergab, ich litt an allem Möglichen und recht spürbar an Flüssigkeitsmangel. Diese Wahrnehmung verdrängte erst einmal den Abschiedsschmerz und nach kurzer Überlegung war klar, ein Bier wäre jetzt genau das Richtige. So entschied ich und tat es den "erfahreneren" Passagieren gleich. Zwei halbe Liter frisch Gezapftes taten mir sehr gut, auf jeden Fall für den Moment.
Was ich den "Erfahrenen" nicht abschaute: Bevor es in den Flieger geht, immer noch einmal auf die Toilette. Einfach nur, um unnötigen Stress beim Start im Flugzeug zu vermeiden!
Genauso plötzlich, wie die Abfertigung an den Schaltern begonnen hatte, genauso plötzlich folgte vom Freiraum aus der Aufbruch zur Maschine.
Erst als ich den Flieger bestieg, stellte ich fest, ich besaß ein Ticket für die erste Klasse. Hatte ich ja auch zusammen mit dem Pass erst unmittelbar, bevor ich durch die Abfertigung musste, ausgehändigt bekommen. Der Kollege, der es mir übergab, durfte noch so lange auf dem Flugplatz ausharren, bis sich die Maschine in der Luft befand. Natürlich auch nur und immer wieder zu meiner Sicherheit. Eine Prozedur, die sich allerdings im Laufe der Zeit entspannte.
Endlich an Bord, wurde ich von einer sehr netten mosambikanischen Flugbegleiterin begrüßt. Die junge Frau sprach mich in einem sauberen Portugiesisch an und versuchte doch ernsthaft, mit mir ein Gespräch zu führen. Dazu blieb ausreichend Zeit, denn ich war im Abteil der ersten Klasse ihr einziger Passagier. Mein erster Versuch, in einer fremden Sprache mit einer Muttersprachlerin zu kommunizieren, wurde nicht der Renner. Die junge Frau behielt dennoch ihre Freundlichkeit, begleitete mich zu meinem Platz und nahm mir meine Anzugjacke ab, wobei ich genau darauf achtete, wo sie mit dem guten Stück hinging. Meine Sorge zeigte sich natürlich als unbegründet. Sie brachte die Jacke zu einem mit einer Schiebetür verdeckten Wandschrank. Also verschwand doch nicht alles, was man aus der Hand legte oder nicht unmittelbar im Blick behielt, wie es mir fürsorglicherweise einige meiner Kollegen als gut gemeinte Empfehlung mit auf den Weg gegeben hatten.
Ich möchte hier unbedingt anmerken, dass ich mich im Stillen bei der netten Dame für meine Gedankengänge entschuldigte. Nur im Stillen, denn mit Worten wäre es mir damals noch recht schwergefallen.
Der Sprach-Grundkurs, den ich mit guten Ergebnissen absolviert hatte, lag einige Wochen zurück und ich bemerkte auch den deutlichen Unterschied, mit Teilnehmern aus der Lerngruppe zu reden oder mit wirklichen Muttersprachlern. Auf jeden Fall übersah diese nette junge Frau, wenn auch mit einem leichten Schmunzeln, meine sprachlichen Unzulänglichkeiten, was sie mir noch sympathischer machte.
Die Turbinen der Maschine liefen schon und es dauerte nicht mehr lange, bis sich die DC 10 in Bewegung setzte. Da ich bis zu diesem Moment immer noch der einzige Passagier der ersten Klasse war, kam ich mir recht einsam in dem doch großen Abteil vor. Dafür hatte ich die Stewardess für mich allein.
Als wir dann endlich starteten, demonstrierte sie mir mit volkstanzähnlichen Bewegungen, was für den Start wichtig sei. Nachdem ich mich angeschnallt und die junge Frau auch im Abteil Platz genommen hatte, kamen mir zunehmend stärker meine zwei halben Liter in Erinnerung.
Der Pilot, wohl ein recht sportlicher Typ, zog die Maschine hoch, als sei der Teufel hinter uns her. Es handelte sich um meinen ersten Start und ich hoffte, es würden noch viele weitere folgen, und der letzte Flug, so mein Wunsch, sollte mit einer weichen Landung enden. Ich verfügte über keinerlei Flugerfahrung und deshalb empfand ich alles, was nun und überhaupt um mich herum geschah, als unheimlich interessant, wie gesagt, bis auf meine zwei Bier, die immer nachdrücklicher ihr Recht verlangten.
In dem Moment, in dem die Maschine eine entsprechende Flughöhe erreicht hatte und endlich der Gurt gelöst werden durfte, waren das Öffnen des Gurtverschlusses und das der Toilettentür, zeitlich gesehen, nahezu ein Vorgang.
Zurück vom Örtchen, ging es mir dann spürbar besser. Als ich an meinem Platz angekommen war, stellte mir die Stewardess eine Reihe von Fragen. Was ich deutlich verstand, waren die Worte Kaffee, Tee und Whisky. Das fand ich auch gar nicht so schlecht, einen Whisky konnte ich jetzt vertragen. Bei ihrer langen Ansprache blieben diese drei Worte sowieso so ziemlich das Einzige, was ich verstand und mir zutraute, akzentfrei nachzusprechen.
Tee war nicht mein Ding, vielleicht noch Kaffee, aber aufgeregt war ich schon genug. Also fiel die Entscheidung nicht sonderlich schwer. Kurze Zeit später hielt ich das Glas Whisky in der Hand, stolz, meine erste Bestellung erfolgreich in einer mir noch fremden Sprache über die Lippen gebracht zu haben.
Im weiteren Flugverlauf entwickelte sich zwischen der Stewardess und mir etwas, was ich als einen nonverbalen Dialog bezeichnen möchte. Sie steckte ihren Kopf durch die Tür zum Abteil und nickte mir freundlich zu. Ich nickte genauso freundlich zurück und schon stand der nächste Whisky vor mir. Ein Spiel, das mich von meinen Gedanken an zuhause und an das, was da noch auf mich zukommen würde, ablenkte.
Nach dem Essen, leichtes Huhn mit schweren Erbsen, ging die Maschine zur ersten Landung über.
Zwischenlandung in Lissabon.
Ich hatte so etwas noch nie erlebt und konnte gar nicht genug staunen. Das Flugzeug hatte wohl die Stadt umkreist, glitt im Landeanflug über einen Teil der Mündung des "Rio Tejo", genau dort, wo der Fluss gemächlich, jedoch in beachtlicher Breite in den Atlantik fließt. Nur kurze Zeit später schwebte die Maschine direkt über der Altstadt, bis zum Flugplatz. Jedes Detail unter und um die Maschine herum konnte ich dabei genau erkennen. Die Dächer zum Greifen nah. Zwischen den Häusern, in den Straßen und Gassen, die quirlige Betriebsamkeit der Menschen, die von dem sich im Landeanflug befindenden Flugzeug überhaupt keine Notiz nahmen.
Nach der Landung wurden alle Passagiere aufgefordert, sich fertig zu machen, um die Maschine zu verlassen. Es war schon später Nachmittag, die Sonne stand noch ziemlich hoch am Himmel und als die Schotten der Maschine endlich geöffnet waren, bemerkte ich eine zweifellos angenehmere Temperatur als noch in Berlin-Schönefeld. Ich glaube mich zu erinnern, dort hatte es beim Abflug sogar etwas geregnet.
Ein Bus holte die Passagiere von der Maschine ab und brachte uns zum Flugplatzgebäude. Ein imposantes, dennoch überschaubares Gebäude, in dem wir alle herumlaufen konnten, um uns die Zeit bis zum erneuten Start zu vertreiben.
Ich versuchte mir so viel wie möglich anzuschauen, damit ich meiner Familie später genau berichten konnte, was ich auf meiner Reise alles erlebt hatte. Viel gab es allerdings nicht zu besichtigen, denn es wurde an allen Ecken des Flugplatzes gebaut und viele Bereiche hatte man aus Sicherheitsgründen abgesperrt.
Was mich allerdings dann doch beeindruckte, waren die vielen Pflanzen und Blumen. Obwohl kaum Tageslicht in die Räume gelangte, präsentierte sich eine Blütenpracht, wie ich sie von zuhause so überhaupt nicht kannte.
Mit der Zeit wurde ich des Betrachtens und Bestaunens müde und setzte mich auf eine Art Brunneneinfassung. Dort stellte ich fest, alles, was so schön grünte und blühte, war zum großen Teil künstliche Dekoration, originalgetreu nachempfundene Pflanzen, Blumen und Blüten.
In der DDR gab es auch künstliche Blumen oder eher Blümchen, die hatten jedoch mit dem, was ich dort sah, überhaupt nichts gemeinsam. Also eine Reise, die von Beginn an immer wieder Beeindruckendes für mich bereithielt.
Viel interessanter allerdings als die künstlichen Blumen war es dann doch, den Reisenden zuzusehen und sie bei ihrer Betriebsamkeit zu beobachten. Da gab es eine ganze Reihe Familien, von denen ich annahm, dass sie in unsere Maschine zusteigen würden. Bei ihnen fiel mir auf, sie alle verfügten über eine recht eigenwillige Einstellung zum Thema Handgepäck. Schier unbeschreiblich, was diese Leute durch die Abfertigung schleppten. Für mich vollkommen unklar, wie das alles im Flugzeug untergebracht werden sollte.
Interessant fand ich damals auch die mitreisenden Kinder, angezogen wie kleine Erwachsene, mit Anzügen die Jungs und mit rüschenbesetzten Kleidern die Mädels. Was für den Moment recht niedlich und auch flott aussah, müsste doch auf dem langen Flug bis Maputo unpraktisch sein, so jedenfalls meine Vorstellung. Dennoch, es war einfach sehr schön anzusehen.
Als ich wieder zurück in der Maschine war, kehrte zumindest in der ersten Klasse verhaltene Ruhe ein. Nur wenige "Zugänge" waren zu verzeichnen. Dafür glaubte ich in der Touristenklasse ein ziemliches Durcheinander zu bemerken. Mehrere Stewardessen, die bisher so ruhig und souverän agiert hatten, beschlich wohl eine leichte Nervosität. Mir wurde klar, sie bekamen die Gepäckmassen der Passagiere, alles das, was bei der Abfertigung großzügigerweise als Handgepäck deklariert über den Abfertigungstresen ging, nicht in den Griff.
Wie sich herausstellte, hatte man auch einige Plätze doppelt gebucht und jeder der Betroffenen bestand nun verständlicherweise auf seinem Sitzplatz. Nach und nach wurde das gesamte Flugpersonal in den anfänglich nicht lösbaren Konflikt einbezogen, bis der Kapitän anwies, zusätzlichen Sitzplatz für die Erwachsenen zu schaffen.
Einige Kinder setzte man zwischen die Sitzreihen, auf extra ausgelegte Decken. Für sie interessant und sicher auch spannend, für die Erwachsenen eine zufriedenstellende Lösung, blieb da nur noch das viele Handgepäck. Das bereitete in erster Linie dem Kapitän sichtlich Sorge. Soviel ich mitbekam, nicht wegen der Unterbringung, das war ihm relativ egal, wäre da nicht das beträchtliche Gewicht.
Es dauerte dann noch eine ganze Weile, und mit dem gefühlten Vorsatz "Tun wir es einfach"erfolgte dann der Start. Wie gesagt, bei diesem Trubel konnte ich nicht viel von den Unterhaltungen des Flugpersonals verstehen, dennoch wurde deutlich, dass der Besatzung die Situation nicht gerade gefiel. Man zeigte sich mit der Arbeit des Bodenpersonals in Lissabon merklich unzufrieden.
Kurze Zeit später befanden wir uns dann auch mit dem überbemessenen Gepäck in der Luft, allerdings löste sich die Maschine bei diesem Start nicht mehr mit der sportlichen Leichtigkeit vom Boden wie noch in Berlin. Wir gewannen dann doch an Höhe und mein uneingeschränktes Vertrauen in die Besatzung bestätigte sich, was natürlich auch zu erwarten war. In diesem Sinne ging es nun von Lissabon aus hinüber zum afrikanischen Kontinent.
Mittlerweile war die Sonne untergegangen und aus dem Flugzeug heraus erkannte ich nur ab und zu einige undefinierbare Lichter am Boden. Kein Wunder, bei einer durchschnittlichen Flughöhe von runden 12.000 Metern. Genauer wollte ich darüber gar nicht nachdenken. Je länger der Flug nun dauerte, desto mehr Ruhe zog auch in der Touristenklasse ein. Die Müdigkeit griff um sich, und was sollte man auf einem so langen Flug anstellen, jeder versuchte sich, so gut es ging, mit dem bescheidenen Platzangebot zu arrangieren.
Draußen war es mittlerweile stockfinster und im Inneren nur noch das gleichmäßige, beruhigende Geräusch der Turbinen zu hören. Die DC 10 lag sehr ruhig in der Luft, was ich damals für eine so große Maschine für normal und selbstverständlich hielt, nicht ahnend, dass es bei anderen Flügen nicht immer so sein würde. Nun beschlich auch mich die Müdigkeit, und da es nichts weiter zu beobachten gab, startete auch ich den Versuch, ein bisschen Schlaf zu bekommen.
Als ich nach recht kurzer Zeit erwachte, tat mir alles weh. Ich hatte mich total verlegen und musste erst einmal versuchten, meine Gliedmaßen unter Kontrolle zu bekommen. In den wenigen Minuten, in denen ich fest schlief, hatte ich mich auf meinem Sitz so unmöglich verdreht, dass es mir schwerfiel, den Knoten schmerzfrei aufzulösen.
Im Sitz war ich total nach vorne gerutscht, fast herausgefallen, und nur dadurch, dass mein rechtes Bein sich noch am Boden irgendwie dagegenstemmte, wurde wohl eher durch Zufall das Schlimmste vermieden.
Ein Anblick, den man wohl im Bild hätte festhalten müssen.
Die ersten Schritte auf dem Gang zur Toilette wirkten noch recht unbeholfen. Mit der Zeit und etwas Übung sah dann alles wieder ganz gut aus.
Bei meinen Lockerungsübungen quer durch die Maschine stellte ich fest, dass die Strapazen der Nacht an Bord der DC 10 auch bei den übrigen Mitreisenden sichtliche Spuren hinterlassen hatten. Viele von ihnen waren bemüht, nach dem Erwachen einen Platz auf einer der Bordtoiletten zu ergattern. Dabei erweckten einige der in Lissabon zugestiegenen Fluggäste den Anschein, als würden sie auf der Toilette wohnen. Sie kümmerten sich dabei wenig um die oft sehr dringlich wirkenden Bedürfnisse ihrer Mitreisenden.
Am Ende regelte sich wieder alles von alleine, und viel interessanter als das Thema Toilette war für mich der erwachende Morgen. Es gab also stets etwas Neues zu betrachten, was für angenehme Abwechslung sorgte.
Als am Horizont die Sonne aufging, befand sich unsere Maschine über der Sahara, über der größten Wüstenregion der Erde. Die ersten Sonnenstrahlen trafen auf die Sanddünen und warfen lange Schatten, in einer nach allen Seiten unendlichen Weite. Dieses Schauspiel dauerte allerdings nur wenige Minuten. Als die Sonne sich vom Horizont löste, verloren die Schatten an Präsenz und damit wirkte die Gegend zunehmend eintöniger und öder. Bald lag der Wüstenstreifen hinter uns und die Landschaft unter der Maschine zeigte sich abwechslungsreicher. Ab und zu flogen wir über einzelne Wolkenfelder, die allerdings mit zunehmender Flugdauer immer weniger wurden. Ich konnte ein paar Fotos schießen, um später alles so chronologisch wie möglich den Daheimgebliebenen zu dokumentieren.
Nun sollte es auch nicht mehr lange dauern. Als der Äquator hinter uns lag, näherten wir uns mit riesigen "Schritten" dem Zielort Maputo. Über den Bordfunk gab es einige Informationen zu der noch verbleibenden Flugdauer, zum Wetter und wir erfuhren die genaue Ankunftszeit. Danach bemerkte ich deutlich, dass die Maschine zum Landeanflug ansetzte. Sie verlor an Höhe und damit stand es fest, Maputo war nicht mehr weit.
Schon überschlugen sich mal wieder die Ereignisse, Landeklappen und Fahrwerk fuhren heraus und die DC 10 setzte fast unmerklich am Boden auf. Wir befanden uns noch immer in Bewegung und sollten auch noch angeschnallt sitzen bleiben, aber dann hatten wir es endlich geschafft. Die Maschine trudelte aus und stand auf dem Rollfeld vor dem Abfertigungsgebäude. Ein langer, anstrengender, aber interessanter Flug ging zu Ende und ein weiteres Kapitel in meiner Erinnerung kann beginnen.