ManagerInnen zwischen den Kulturen! Forschungsergebnisse aus dem internationalen Management.
Autor: Nick Thräne
Meine Forschung hat ergeben, dass die von mir untersuchten interkulturellen Führungskräfte meist mit einem stark betriebswirtschaftlich geprägten Handlungs- und Wissenskontext ins Ausland geschickt werden. Sie verfügen nur in seltenen Fällen über analytische Kompetenz, ihre Situation als Fremde, in der Fremde, umgeben von Fremden aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und verfügen nicht über erprobte berufsbiographisch erworbene Handlungsmuster (vgl. A. Schütz "Der Fremde") selbige Situation zu bearbeiten. Ein Großteil der von mir interviewten handelt zu Beginn ihrer Tätigkeit rein nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben. Lassen jedoch den Faktor Mensch weitestgehend außer acht. Einige betrachten ihre Tätigkeit in der Fremde nur als eine vorübergehende Situation und lassen sich dem entsprechend nicht angemessen darauf ein (vgl. Simmels: "Exkurs über den Fremden"). Fast alle erfahren, dass ihre bisherigen eigenkulturell dominierten beruflichen Handlungsmuster sie in eine innerbetriebliche oder in den Beziehungen zu ihren Mitarbeitern und Verhandlungs- und Kooperationspartnern, Außenseiterposition (vgl. Elias und Scotson "Etablierte und Außenseiter", E.V. Stonequist "The Marginal Man") geraten lässt und sie somit nicht den gewünschten unternehmerischen Erfolg erzielen. Sie machen die Erfahrung, dass die eigenen Handlungsmuster nicht mehr greifen, neu überdacht, neu überarbeitet, bzw. neu hinzugelernt werden müssen. In solchen Phasen werden häufig biographisch erworbene Handlungsmuster, Handlungsressourcen und/oder Handlungskompetenzen reaktiviert, wie z.B. die des Trainierens (vgl. A. Strauss "Spiegel und Masken") aus einer eigenen ehemaligen SportlerInnenkarriere heraus. Außerdem können Fremdheitserfahrungen und der Umgang mit dem Fremden zum Auslöser für biographische Lernprozesse (vgl. A. Schütz "Der Fremde", "Der Heimkehrer"), Leidensprozesse (vgl. F. Schütze: "Verlaufskurven des Erleidens"), Krisenerfahrungen, Wandlungsprozesse (vgl. F. Schütze) und Fremdheitsignoranz hinsichtlich des eigenen Handelns werden.
Einige Beispiele:
Berufsbiographische Lernprozesse z.B. gehen einher mit der Kompetenzentwicklung, auf sich und auf das eigene Handeln einen fremden Blick einzunehmen und selbiges zu hinterfragen. Interkulturelle Führungskräfte machen die Erfahrung, dass es ein "anders sein" gibt. Folglich wird das "Eigene" mit dem "Fremden" kontrastiert, z.B. hinsichtlich verschiedener Aspekte wie eigenkulturelle Normen und Werte, fremdkulturelle Rahmungen - Arbeitsbedingungen, Konkurrenzkampf, Leistungsdruck, etc.. Das ist der Beginn für Lern- und Wissenserwerbsarbeit in Bezug auf kulturell verschiedene Formen menschlichen Handelns. Häufig mit dem Ergebnis, dass ein rein sachbezogenes, von der eigenen Person losgelöstes Handeln nicht funktioniert und Person und Handeln eine Einheit darstellen muss. Solche Lernprozesse können Auslöser für einen biographischen Wandlungsprozess sein, der z.B. darin gipfelt, dass die zuvor unhinterfragt akzeptierten und als selbstverständlich angesehenen Arbeitsbedingungen aus der eigenen Kultur keinen Platz mehr in der beruflichen und berufsbiographischen Orientierung und Planung finden und z.B. aus dem deutschen Betriebswirt ein beruflicher "Weltenbummler" wird, der sich eher in der Fremde heimisch fühlt als in seinem tatsächlichen Heimatland.:
Interviewauszug Managerinterview (maskiert)
E: das, das geht, ja und von dort bin ich/ das ist dann hier in Deutschland hier auch die Zeit äh die Zeiten haben sich dramatisch verändert, der, der Wettbewerbsdruck wurde immer größer, das Arbeitsklima in Deutschland, das hat mir auch nicht mehr ganz so zugesagt und ich hatte engen Kontakt noch nach Hause und ich hatte dann auch keine Lust wieder nach Deutschland zurück zu kehren und hab mich dann beworben um die Leitung um die Werkleitung in Mexiko, also das Werk Mexiko,....
Leidensprozesse werden dadurch ausgelöst, dass in der Fremde nach dem Vertrauten, wie Alltagshandlungsmuster und Denkmuster gesucht wird und es sehr schwer fällt, sich vom eigenkulturell geprägten Kontext zu lösen und auf die fremde Situation einzulassen. Häufig fehlt es dazu an entsprechenden fachlichem Wissen/Berufswissen, Sprachkenntnissen, biographischen Fremdheitserfahrungen, Situationsbewältigungsstrategien, etc.. Die Erfahrung mit dem Fremden in Verbindung mit den zuvor genannten Defiziterfahrungen werden häufig nur addiert und nicht synthetisiert oder reflektiert und werden somit insgesamt zu einer Krisenerfahrung. Reaktion darauf ist ein Handlungsmusters des "durchhalten und ertragen" müssens und häufig auch der Fremdheitsignoranz, die sich dann in einer Art Gegnerperspektive z.B. zu den Verhandlungspartnern niederschlägt.:
Interviewauszug Managerinterview (maskiert)
und ich rede mir den Mund fusselig ((lacht)), ich weiß es nicht, da ist irgendwo so ne, so ne Hemmschwelle dass wollen se nicht, entweder sie wollen es nicht oder sie begreifen es tatsächlich nicht
I: mhm
E: oder sie trauen mir einfach nicht, (..) das ist natürlich auch noch ne Variante, na ich mein ich traue ihnen auch nicht, deshalb, warum sollten se mir dann vertrauen, das ist auch wieder richtig, an und für sich jedenfalls,
I: ja
E: das ist schon, ne, also das ist schon echt schwer, (2) und ich glaub, das wird mir auch nie gelingen, (2) meinem Alten ist es nicht gelungen, warum sollte es mir gelingen ((lacht)),
In meiner Forschung ist es mir außerdem gelungen, grundlegende Probleme und Schwierigkeiten im fremdkulturellen Berufshandeln auf unterschiedlichen Ebenen herauszuarbeiten: strukturelle Ebene (Unternehmensebene, Gesetzesebene, Personalebene) beruflicher Handlungsebene (z.B. Informationsarbeit), und eigene Identitätsebene.
Einige Beispiele:
Auf struktureller Ebene haben die von mir interviewten interkulturellen Führungskräfte häufig mit unternehmerischem Fehlhandeln Seitens des Mutterhauses zu kämpfen. So beklagen sie ein fehlendes Etablierungs- und Einführungsritual, sowie entsprechende Einarbeitungszeit, wenn sie neu im fremden Land, im fremden Unternehmen, bei den fremden Partnern und Mitarbeitern eintreffen. Oftmals gibt es nicht einmal eine Ankündigung ihrer Ankunft. Sie fühlen sich unzureichend auf ihre berufliche Tätigkeit und die entsprechenden Spezifika vorbereitet und beklagen die Möglichkeit einer angemessenen Einarbeitungszeit und vorbereitenden Situationsschaffungsarbeit und Handlungsrahmenschaffungsarbeit mit den neuen Partnern und Mitarbeitern. Folge dessen ist z.B. eine Stigmatisierung zum "allwissenden, arroganten, überheblichen Deutschen". Außerdem als problematisch werden zu enge vom Mutterkonzern vorgegebene Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume hinsichtlich eigenständiger beruflicher Entscheidungsmöglichkeiten empfunden. Selbige werden meist ohne konkretes kulturelles, geographisches, unternehmerisches und strukturelles Wissen des entsprechenden Landes und der entsprechenden Unternehmung fremdbestimmend vom Mutterkonzern angeordnet und gefährden nicht selten die gesamte Unternehmung.
Weiterhin als problematisch im interkulturellen Wirtschaftshandeln werden fehlende internationale Standards und Gesetze empfunden. Fehlen diese, kommt es zu Vertragsbrüchen und Qualitätsproblemen. Ein nächster Problemschwerpunkt liegt bei der Personalpolitik und Personalauswahl. In manchen Fällen werden Mitarbeiter oder ein entsprechender Mitarbeiterstab der Führungskraft einfach zugewiesen, ohne dass es ein Mitspracherecht des Teamleiters oder der Führungskraft gibt. In solchen Fällen ist die Zusammenarbeit von vorn herein gestört, werden Bereiche fehl besetzt und ein hohe Personalfluktuation ist vorprogrammiert.
Ein weiterer Aspekt der zu beachtlichen Schwierigkeiten und Problemen im beruflichen Handeln von Führungskräften führt, ist eine mangelhafte Informationsarbeit. So gibt es häufig keine funktionierende Kommunikationsstruktur zwischen Mutter- und Tochterunternehmen. Es sind keine konkreten Ansprechpartner in der Heimat bestimmt. Dazu kommt die unterschiedliche Informationskultur der jeweiligen Partner im Gastland. So kommuniziert und informiert ein deutscher Mitarbeiter seinen Vorgesetzten grundsätzlich anders als z.B. ein chinesischer Mitarbeiter seinen Vorgesetzten. Folge sind ein enormer Informationsverlust, Fehlinformationen, Missverständnisse sowie unterbrochene Kommunikations- und Informationsketten.
Weitere Schwierigkeiten entstehen für Führungskräfte im fremden Land durch eine zu starke eigenkulturell geprägte Bewertungs- und Einschätzungshaltung in Bezug auf die Mitarbeiter des Landes in dem sie gerade tätig sind.
Ergebnis meiner Forschung ist auch, dass es verschiedener Formen von Wissen (vgl. Mannheim: Wissenssoziologie" sowie Berger/Luckmann "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit") für Führungskräfte im interkulturell beruflichen Handlungsraum bedarf.
Wissensformen wie Erfahrungswissen, dass es auch Enttäuschungen im beruflichen Handeln geben wird. Enttäuschungen wie missbrauchtes Vertrauen und nicht eingehaltene Versprechungen der Mitarbeiter oder Kooperations- und Joint Venture Partner. Ebenso bedarf es eines Prozesswissens, dass es nicht nur linear ansteigende Entwicklung gibt, sondern dass man auch mal "zurück gehen muss, um voran zu kommen". Weiterhin besteht eine Notwendigkeit zur steten Reflexion des eigenen Handelns, das der "Anderen" sowie des gesamten Prozesses. Erfahrungswissen bedeutet auch den Erwerb von Prozessgestaltungswissen / Strukturwissen hinsichtlich Unternehmensstrukturen, Informationswege, Neidstrukturen, Problem- und Konfliktpotentialwissen, Querschnittswissen zwischen den einzelnen Abteilungen eines Unternehmens, Hierarchiewissen (im Unternehmen, in den Abteilungen, den Abteilungen untereinander), u.s.w.. Weitere Form von Wissen sind Fassadenwissen, Insiderwissen, Handlungswissen (wie z.B. Verhandlungswissen), Kulturwissen (man muss die eigene Kultur kennen, man muss sich die eigene Kultur erschließen, ein Wissen über die eigene Kultur erarbeiten, um aus diesem Wissen heraus zu erkennen, was das Andere in der fremden Kultur ist), biographisches und berufsbiographisches Wissen, Karrierewissen, etc..
Ein nächstes Ergebnis meiner Untersuchung ist die Herausarbeitung verschiedener Formen von Arbeit (vgl. A. Strauss) für den interkulturell-beruflichen Handlungsraum. Um z.B. einen Arbeitsprozess (die folgende Aufzählung erfolgt unsortiert) in der beruflichen Fremde zu gestalten (vgl. A. Strauss: "arc of work") bedarf es Rahmenschaffungsarbeit in Form von z.B. Vertrauensschaffungsarbeit zu den Kooperationspartnern und Mitarbeitern. Häufig ist eine erste Aufgabe dabei, Aufarbeitungsarbeit der fehlenden Vorbereitung auf die neue Führungskraft Seitens des Unternehmens zu leisten. Die Führungskräfte haben eine Diskursarena (vgl. A. Strauss) zu schaffen, in der offen über Probleme und Arbeitsaufgaben konstruktiv gestritten werden kann. Dazu gehört Motivationsarbeit bei den Mitarbeitern, dass diese lernen eigene Bedürfnisse zu erkennen und zu äußern. M.a.W. eine Motivation und Ermutigung zur Diskursarbeit und konstruktiven Kritik, sowie Emanzipation einer Diskurskultur als Grundlage für die Teambildungsarbeit. Für eine solche nach außen gerichtete, offene Meinungsäußerungskultur braucht es sowohl einer Beratungsarbeit zur Innitiierung von Selbsterkennungsarbeit bei den Mitarbeitenden, einer Aufbrechungsarbeit vorurteilbehafteter oder/und verhärteter Denkstrukturen, als auch eine Bedürfniserkennungsarbeit durch die Führungskräfte um Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu erkennen, diese ernst zu nehmen, umzusetzen und abzustimmen und um die Ernsthaftigkeit der eigenen Bemühungen transparent zu machen.
Weiterhin gilt es eine Beteiligungsarbeit, ein einbeziehen in den Gesamtprozess der Mitarbeiter an alltäglichen Handlungsprozessen zu gestalten, weg von reinem Anweisungshandeln. Es bedarf einer Erklärungs- und Vermittlungsarbeit von Absichten und Plänen (Transparentmachung, Herstellung von Nachvollziehbarkeit).
Die Führungskräfte selbst müssen sehr häufig Enttäuschungsbewältigungsarbeit auf Grund unternehmerischer Fehlschläge, Vertrauensbruch, etc. verkraften und Selbstmotivationsarbeit leisten, auch hinsichtlich von Leidens- und Entbehrungsarbeit auf Grund der räumlichen Trennung vom Lebenspartner/Ehepartner oder bezüglich der Schwierigkeit, privaten Kontakt zu den Einheimischen zu bekommen. Um erfolgreich zu sein, müssen sie auf der einen Seite Öffnungsarbeit des eigenen "Ich" (vgl. G.H. Mead, E. Goffman), den Mitarbeitern gegenüber zulassen und gestalten, gleichzeitig aber auch Selbstschutzarbeit des eigenen "Ich" (z.B. durch Reflexion des eigenen Handelns), um die eigene Identität nicht in Gefahr zu bringen. Dazu gehört Selbsterkennungsarbeit und die Erarbeitung eines Eigenschwächenwissens, einer Eigenschwächensensibilität, Perspektivenarbeit auf den Prozess (Innen- und Außenperspektive), Selbstreflexion / Selbstevaluation des eigenen Handelns im Prozess, bei der Gestaltung des Prozesses, sowie Kennenlernarbeit der "Anderen", seiner selbst im Umgang mit den Anderen und wie die Anderen mit einem selbst umgehen. Weiterhin haben Führungskräfte Beziehungsarbeit mit dem daheim gebliebenen Partner, mit der Belegschaft und auch mit den anderen (deutschen) Kollegen zu leisten. Sie haben Konfliktlösungs- und Konfliktaustragungsarbeit, mit den deutschen und den einheimischen Mitarbeitern zu leisten. Problembewältigungsarbeit außerhalb festgelegter Arbeitsrahmungen z.B. beim Kaffee oder einer Zigarette in der Pause - d.h. konventionelle Handlungsrahmungen aufbrechen und Situationsentspannungsarbeit leisten ist dafür eine nächste Führungsaufgabe. Außerdem müssen sie Entstandardisierungsarbeit von Situationshandeln initiieren, d.h. Handlungsstrategien müssen der Situation angepasst werden und können nicht einmal erprobt unreflexiv Anwendung finden. In bestimmten Situationen bedarf es aber auch der Entwicklungsarbeit von Standardisierungen und Regularien, um schneller Handeln zu können.
Weiterhin müssen interkulturelle Führungskräfte Rollenlernarbeit (vgl. AG Soziologie) im Rahmen der eigenen Rollen leisten. Rollenarbeit bezüglich unterschiedlicher Erwartungshaltungen verschiedener Bezugsgruppen hinsichtlich ihrer Führungsrolle und Prozessgestalterrolle. Sie müssen ihr Rollensetting erweitern, neue Rollen dazulernen, neue Positionen einnehmen und ausfüllen, Widrigkeiten überwinden und lernen, dass man auf bestimmte Rollen von "außen" beschränkt werden kann (z.B. Beschränkung auf die Rolle der Führungskraft und die Rolle als Freund abgesprochen bekommt).
Soziale Rollen im interkulturellen Führungshandeln und in der Fremde, sowie der Umstand, dass die Familie in der Fremde eine besondere Rolle spielen kann sind zwei weitere Themen und sollen an dieser Stelle kurz erwähnt werden. Interkulturell tätige Führungskräfte haben eine Großzahl an sozialen Rollen (vgl. AG Soziologie; Minzberg) auszufüllen, aber ein nur sehr geringes Bewußtsein dafür, dass das der Fall ist. Sie verfügen nur über ein rudimentäres Wissen, welche Rollen sie auszufüllen haben (z.B. Unternehmensvater, Vermittler, "Übersetzer" - im Sinne von Kulturübersetzer, Trainer, Familienvater, Ehemann, etc.), welche Erwartungen an die jeweilige Rolle gestellt werden, welche Rollenkonflikte es geben kann und wie diese ausbalanciert werden können. Ihr angenommenes Wissen über zu leistende Rollenerwartungen oder Rolleninhalte sind häufig sehr eigenkulturell geprägt. Die Folge sind Rollenfehlverhalten und immer wieder leidvolle Erfahrungen bei Fehlschlägen durch Rollenfehlverhalten.
Ein Handlungsmuster, das häufig einem erfolgreichen beruflichen Handeln in der Fremde zuträglich ist, ist sich in der Fremde immer wieder ein neues passendes berufliches und privates Lebensarrangement zu schaffen. Die Familie (Ehepartner, Kinder) kann bei der Neuordnungsarbeit des "Eigenen" eine wesentliche Rolle spielen. Sie ist vertrautes soziales Umfeld, Privatsphäre und "Haus und Hof". Meist hält die Ehefrau dem Mann den Rücken frei und bietet ihm ein vertrautes von Fremdheit weitestgehend befriedetes Zuhause, einen Ort der Ruhe und der Heimkehr in und aus der Fremde. Notwendige Eigenschaften und Kompetenzen insbesondere der mitreisenden Ehefrau für die Schaffung eines solchen Ortes in der Fremde sind: Aufgeschlossenheit und kulturelle Offenheit, Unternehmungslust, Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit, (Allein-)Problembewältigungskompetenz (weil der Ehemann meist weit über Normal beruflich eingespannt ist), Handlungsselbstständigkeit, Widerstandsfähigkeit, Akzeptanz einer Privatsphärenverantwortlichkeit und die Fähigkeit Widrigkeiten bewältigen zu können, bzw. Bewältigungsarbeit leisten zu können.
Weiterhin habe ich im Rahmen meiner Untersuchung 6 zentrale Formen fremdkulturellen Führungshandelns herausgearbeitet, die ich an dieser Stelle kurz skizzieren werde:
Eigenkulturübertragungshandeln:
Marktlückenerschließung
- eigenkulturegozentrisches, unreflektiertes Übertragungshandeln eigenkultureller Handlungsweisen, um Gewinn zu machen und dementsprechend Arbeit zu gestalten, jedoch ohne "Tribut" an die fremde Kultur. Es gibt kein Fehlerlernen und es wird keine gemeinsam gewachsene Handlungsstruktur geschaffen. Es gibt hauptsächlich ein Schulungswesen der Mitarbeiter, unter Annahme global, allgemein gültiger Handlungsstrategien.
Erzieherisches Handeln
- Berufshandeln aus biographischer Ressource des Kindererziehens heraus. D.h. Erziehung des Gegenüber nach eigenen kulturellen Vorstellungen
Fremdheit ignorierendes Handeln
- die fehlende Kompetenz des "fremden Blicks" und der Perspektivübernahme, fehlende biographische und berufsbiographische Ressourcen und Kompetenzen, Kultur sehen u.o. verstehen zu können, stereotypes Denken und Handeln, fehlende Strukturgestaltungskompetenzen für die eigene Biographie, sowie für das eigene berufliches Handeln lassen die Fremdheitserfahrung zu einem Leidensprozess und zu einem kulturignorierenden Handeln - als Selbstschutz - werden.
Funktionalistisches Verstehenshandeln:
- Rationalistisch, funktionalistische Nachkonstruktion der fremden Kultur
Es wird davon ausgegangen, dass es Fremdheit und "anders sein" gibt. Es herrscht die Einstellung, dass sich kulturelle Entitäten gegenüberstehen. So können Teile der Realität gut erfasst werden. Bei dieser funktionalistischen Art des Handelns erfolgt keine differenzierte Übernahme der Perspektiven und Sichtweisen der anderen Menschen. Perspektivendifferenzierung wird nicht geleistet und komplexe Situationen werden nicht untersucht. Es wird nicht davon ausgegangen, dass es eine universalistische Basis des gemeinsamen menschlichen Handelns gibt.
Motivations- und Vorbildhandeln:
- Aktivierung biographischer Handlungsmuster /Kompetenzen, wie z.B. die des Trainierens - z.B. aus einer früheren Karriere als Leistungssportler und Trainer einhergehend mit Kompetenzen und Erfahrungen wie:
- führen durch "Trainieren und Helfen",
- Motivation durch Vorbildwirkung, Vertrauen schaffen,
- "Herrschaft legitimieren",
- Identifikationsarbeit mit einer anderen Kultur, ein biographisches Wissen, dass es ein "anders sein" gibt,
- Eigenerfahrungen mit "geführt werden" und Vorbildern ("signifikanten anderen")
Selbst- und prozessreflexives Lernhandeln:
Am Anfang steht der Versuch selbst erlerntes und/oder als einzig richtig empfundenes Berufshandeln, unhinterfragt zu übertragen. Dadurch treten Probleme in den interkulturellen Arbeitsbeziehungen auf. Diese führen zu einer Selbstreflexion des Handelns und zur Erarbeitung von Handlungsalternativen zur Zielerreichung. Es gibt so etwas wie ein Hinterfragen von andersartigen Handlungsmotivationen und daraus resultierend ein Erlernen/Erarbeiten von Handlungsalternativen (zur gesetzten Zielerreichung) und zur Bewältigung von Problemen bei der interkulturellen Zusammenarbeit.
Individualitätserschließendes Handeln:
Leitmotiv des eigenen Handelns: Menschen sind grundsätzlich verschieden aus dem Kontext ihrer Erziehung, Bildung, Sozialisation und gesellschaftlichen Rahmungen, ob nun aus der eigenen Kultur oder aus anderen Kulturen. Es zählt den jeweiligen Menschen individuell zu sehen und nicht als Repräsentanten bestimmter gesellschaftlicher Kulturwerte und jeden einzeln kennenzulernen - jeder Mensch ist individuell und muss als solcher erkannt und verstanden werden.
Universalistische Handlungseinstellung:
Am Familiengedanken und auf Vermittlungsprozesse zwischen den Menschen orientiertes Beziehungsschaffungshandeln unter dem Prinzip der größtmöglichen Gleichbehandlung und dem Aufbau eines gegenseitigen Verstehens- und Anerkennungshandelns. Es herrscht die Annahme einer universalistischen Basis des gemeinsamen menschlichen Handelns - es gibt Lebensziele, die alle Menschen gleichermaßen wollen, nur der Weg dahin unterscheidet sich kulturabhängig: Ziele wie:
- die Familie voranbringen
- den Kindern soll es besser gehen als einem selbst
- selbst etwas Anerkennung für die Leistungen bekommen
Interviewauszug Managerinterview (maskiert)
also ich hab eigentlich erfahren (4) während meiner Auslandseinsätze, dass die Lebensziele der Menschen mit denen ich zu tun hatte, ob das nun Chinesen, Amerikaner, Brasilianer oder Mexikaner waren, die sind eigentlich alle gleich
I: ahha
E: die wollen alle ihre Familie weiterbringen, wollen es, dass es ihre Kinder besser haben als sie selber und wollen eben selbst auch Bestätigung in der Gesellschaft erfahren und äh die Wege dahin zu diesen Zielen, die sind so'n bisschen, die sind so'n bisschen verschieden, weil ja jeder in seine Kultur eingebettet ist und eben andere Maßstäbe oft gelten und das habe ich eben auch gelernt, dass die Maßstäbe mit denen ich groß geworden bin eigentlich nicht, auf gar keinen Fall absolut sind und äh dass man sich eben wirklich hüten muss, dass man diese Maßstäbe überall anlegt an das Handeln äh anderer (2) Menschen...
Abschließend möchte ich als Ergebnis meiner Forschung festhalten, dass einem Großteil der in der kulturellen Fremde arbeitenden Managern kein unveränderlicher Handlungstypus, der bleibend dominant ist und von ihnen nicht mehr verändert bzw. überwunden werden kann, zugeschrieben werden kann. Im Gegenteil. Die Berufstätigkeit in der Fremde wird häufig zum Lern- und Veränderungsprozess, der den betroffenen Managerinnen und Managern die Chance gibt, verschiedene Handlungsformen zu durchlaufen und sich dabei in ihrem Handeln zu entwickeln und in ihrer biographischen Identität zu wandeln - Handlungsformen beginnend mit dem Eigenkultur - Übertragungshandeln, dem Stadium des selbst- und prozessreflexiven Lernhandelns durchlaufend und ankommend beim individualitätserschließenden oder beim universalistischen Verstehenshandel.
Allerdings sind im Rahmen meiner Untersuchung auch Abläufe sichtbar geworden, die in eine Engführung und Stagnation des Managerhandelns im Bereich des Eigenkultur - Übertragungshandelns oder im Bereich des funktionalistischen Konstruktionshandelns führen. Hier ist dann weiteres Lernen und biographische Identitätsveränderung nicht mehr möglich:
- biographisches Alter,
- einschneidende biographische Erfahrungen (Vertreibung),
- fehlende biographische und berufsbiographische Kompetenzen.
Ein Tipp zum Schluss:
Die soeben für das internationale Managerhandeln dargestellten Ergebnisse und Erkenntnisse sind auch anwendbar, wenn man hauptsächlich in der eigenen Kultur als Managerin oder Manager tätig ist.