Ohne meinen Chef geht nix! Oder doch?
Autor: David Pietsch, Produktionsleiter
Vermutlich kennen dieses Gefühl sehr viele Chefs. Einige Mitarbeiter, die man zu führen hat, sind untauglich, machen einen unmotivierten Eindruck oder leiden scheinbar unter psychischen Problemen, welche Diese aus dem Privaten mit in die Firma tragen. Warum sonst schlendern sie so entspannt über den Flur, obwohl sie noch keine der Wichtigsten und Dringlichsten Aufgaben erfüllt haben? Der Gesichtsausdruck scheint zu vermitteln, dass es mal wieder kein entspanntes Wochenende war und im nächsten möglichen Moment wird sich der angespannte Kollege Trost bei einem anderen Kollegen suchen. Dann sind es ja schon zwei die nicht produktiv sind. Und als sei man davon nicht schon enttäuscht, kommt auch noch der nervige Faktor hinzu - der Mitarbeiter hat mal wieder eine oder gar etliche Fragen zu einer sehr einfachen Aufgabe. Warum können die Mitarbeiter nicht endlich mal selbstständig arbeiten? Warum findet man nicht endlich mal Mitarbeiter, welche sich was trauen und aus sich heraus agieren? Alles, was "nachwächst" scheint für die heutige Zeit überhaupt nicht mehr tauglich. Wie konnten diese Menschen bisher nur selbstständig überleben ohne an einer Pfütze zu ertrinken? Denn schließlich können sie im Berufsleben auch nahezu nichts alleine durchführen und brauchen fast immer ihren Chef. Früher war einfach alles besser.
Spätestens in diesem Moment sollte man sich die Frage stellen, ob man sich selbst als Vorgesetzter und Vorbild die richtigen Fragen stellt!?
Kenne ich denn meine Mitarbeiter? Kenne ich die Stärken von meinem Team? Sind einige Mitarbeiter überfordert, andere stumpfen ab vor lauter Langeweile? Hat ein Mitarbeiter freie Kapazität, weil sein Schreibtisch scheinbar leer und geordnet aussieht? Oder braucht er Ordnung und Struktur, um denken zu können? Dem anderen Kollegen sollte man lieber keine Aufgaben mehr geben, denn auf dessen Schreibtisch stapeln sich bereits die vielen Unterlagen. Oder räumt er einfach nur nichts weg, damit die Komfortzone auch schön geschützt bleibt? Als Vorgesetzter würde man sich ja zu gerne die Zeit nehmen sich damit auseinanderzusetzen - doch man hat mal wieder keine Zeit - da man selbst ja die Fehler oder das scheinbare Fehlvermögen der eigenen Mitarbeiter gerade ziehen muss.
Die erste Frage, die man sich stellen sollte: Was ist mein Anteil an diesem Verhalten? Habe ich wirklich ein offenes Ohr? Komme ich mit den Antworten zurück, welche für meinen Mitarbeiter wirklich sehr, sehr wichtig sind - und wenn es auch die zweite Bestätigung des Urlaubstages (ja dieses einen Tages!) ist? Denn für diesen einen Mitarbeiter gibt es aktuell nichts Wichtigeres! Sollte es einem selbst dennoch durchrutschen, ist die Frage, wie man damit umgeht. Signalisiert man, dass Fehler zulässig sind, indem man z.B. den Eigenen zugibt oder redet man sich raus, damit man nicht als der Schuldige da steht!? Denn schließlich werden Fehler doch bestraft. Oder sind diese nötig, um zu lernen?
Braucht ein Team immer einen Moderator? Oder kann ein Team für interdisziplinäre Aufgaben auch einfach bunt gemischt, sprich interdisziplinär, aufgebaut werden, um an Themen des Unternehmens zu arbeiten? Kristallisieren sich Mitarbeiter des Teams als Teamleiter heraus, indem man die Mitarbeiter mit einem offenen Handlungsfeld einfach alleine lässt? Möglich, oder!? Oder die KollegInnen sitzen alle nur zusammen und es kommt nichts Zählbares bei heraus. Denn schließlich warten sie doch auf die Aussagen bzw. Entscheidungen des Chefs! Oder!? Der trägt doch auch die Verantwortung.
Ja, das macht er. Ohne jeden Zweifel! Er trägt jedoch auch die Verantwortung für die Entwicklung seiner Mitarbeiter, seiner Abteilung und somit auch für die Entwicklung des Unternehmens. Aus diesem Grund muss ich als Vorgesetzter ja auch alles wissen und möglichst viel entscheiden.
NUR DANN WIRD DAS UNTERNEHMEN/DIE ABTEILUNG NIE BESSER SEIN ALS DER VORGESETZTE!
Ein Vorgesetzter sollte viel mehr den Mut haben regelmäßig Aktionsteams zu bilden, damit Diese an offenen Themen und an der Umsetzung von offenen Maßnahmen arbeiten können. Das Team erarbeitet für Herausforderungen mögliche Lösungsansätze, stellt diese vor und erhält idealerweise die Freigabe zu experimentieren. Das heißt nicht, dass aus einem Stahlwerk eine Textilfabrik wird. Aber das Team muss die Möglichkeit haben sich auszuprobieren. Das typische trial and error. Wie bei einem kleinen Menschen, der laufen lernt. Hingefallen? Na und! Aufstehen und gleich nochmal probieren. Aus Fehlern lernt man doch! Das haben einem doch die Eltern schon gesagt!
Warum vergessen wir eigentlich so viele einfache, ja fast banale Grundregeln der Kindheit? Es ist wie mit der Frage davor. Warum fehlt so oft bei vielen Menschen ein einfaches WARUM? Denn ist dies nicht eine Standardfrage von wissbegierigen Menschen? Als Elternteil versucht man sich dann die Zeit zu nehmen und seinen Kindern die Fragen zu beantworten. Denn aus ihnen soll ja was werden! Und wie ist das bei den eigenen Mitarbeitern? Bin ich da auch bereit diese Fragen zu beantworten? Mit aller notwendiger Ruhe und Geduld? Oder habe ich im Hinterkopf keine Zeit oder denke, dass der Mitarbeiter so viel wissen will, weil er vermutlich scharf auf meinen Posten ist?
Für diesen Blogbeitrag zusammengefasst fehlt es meiner Einschätzung nach bei Führungskräften oftmals an Folgendem:
Empathie, Vertrauen, Mut zur Lücke, Zeit allgemein, Interesse an den individuellen Menschen und ihren individuellen Bedürfnissen, Interesse an Weiterentwicklung (meist an erster Stelle fehlendes Interesse an der eigenen Weiterentwicklung), Zuhören, Zeit zum Denken.
Setzt man sich als Führungskraft nicht intensiv damit auseinander, ist es möglicherweise so, dass man sich "dressierte Affen" heranzieht, die nichts alleine entscheiden können und keine eigenen Ideen entwickeln. Doch wenn man Menschen in Unternehmen entwickeln möchte, dann sollte man Interesse an ihnen haben. So wie an den eigenen Kindern, denn schließlich soll ja mal was aus ihnen werden, damit sie irgendwann mal den eigenen Platz einnehmen können....